Reisetagebuch Bernsteinstraße 20. Aug. 2018 - Tag: 172 km - Ges.: 4403 km - Eintrag: Michaela & Udo
Von Narva-Jõesuu (Estland) nach St. Petersburg (Russland)
Die Pension „Laina“ hält zwei riesengroße, dicke Omelettes für uns zum Frühstück bereit. Dass wir offensichtlich am Ende des Baltikums übernachtet haben, zeigte uns eine sternenklare Nacht ohne Streulicht und lärmende Untermalung durch vorbeifahrende Autos. Wir schlafen bei geöffnetem Fenster. Sehr erholsam!
Bereits in Tallinn haben wir unsere Grenzüberquerung in Narva gebucht. Ja, richtig gelesen. Die Esten haben sich ein besonderes System ausgedacht, um den Grenzverkehr über die Narva-Brücke zu regeln und zu portionieren. Damit sollen lange Warteschlangen, wie sie jahrelang üblich und berüchtigt waren, vermieden werden. Und das System funktioniert: Unter „Go-Swift Queue Management Service“ bucht man seinen Namen, die Passnummer und das Auto- respektive Motorradkennzeichen ein, zahlt elektronisch 2,50 Euro und ist VIP-Schlangenansteher…
Die restlichen 18km bis zur ausgeschilderten „Waiting Area“ in einem Außenbezirk von Narva sind schnell überwunden, und da an diesem Morgen nicht viel los ist, rutschen wir erstaunlich schnell durch die erste Schranke. Ein ausgesprochen netter Este bietet uns an, auf uns zu warten und uns dann die verbleibenden 3 km zum eigentlichen Grenzübergang an der Narva-Brücke zu schleusen, wo sich die Festungen von Narva und Ivangorod Auge in Auge gegenüberstehen.
Nach einer weiteren Wartezeit von einer Stunde werde ich von der die Pässe kontrollierenden Grenzoffizierin mit folgenden Worten empfangen: Madame, Respekt!“ Und dabei verneigt sie sich andeutungsweise und deutet auf die vollbepackte Honda. Eine Frau in einem Männerberuf zollt einer fremden Frau Respekt, die ein in Russland als Männersache betrachtetes Fahrzeug bewegt. Irgendwie witzig - und gleichzeitig toll, wenn so Verständigung funktioniert. Alles weitere läuft an diesem Morgen so gechillt ab, wie es beim Frühstück begann. Eine weitere nette Zöllnerin fertigt uns zügig ab und verzichtet ganz auf die sonst übliche Gepäckkontrolle. Wir haben die Zollpapiere im Vorhaltewinkel bereits im Hotel ausgefüllt und das ganze Prozedere ist in sensationellen eineinhalb Stunden Vergangenheit. Ein wertvoller Zeitgewinn!
Dann befinden wir uns auf der gut ausgebauten Schnellstraße M11 und St. Petersburg kommt zügig näher. Vorsichtig tasten wir uns in den schnellen russischen Verkehr hinein. Vor der Reise hat man uns gewarnt: Russen überholen überall und nicht nur links. Schnell wird klar, dass die wichtigsten Ausstattungsgegenstände am Bike unsere Rückspiegel sind, denn die teuren und rasend schnellen Karrossen der neuen Reichen dieses Landes tauchen blitzartig auf und pfeilen geradezu an einem vorbei. Mehr als einmal erschrecken wir zutiefst, weil der Überholabstand bei gerade mal einem halben Meter liegt…
Den ersten Kaffee in Russland nehmen wir an einem kleinen Minimarkt und plötzlich fühlt sich alles wieder gut an. Eine nette Besitzerin, ein „Gespräch“ mit Händen und Füßen, schmackhafte süße Stückchen und ein heißes Instantgetränk, weil die Kaffeemaschine gerade kaputt ist. Was man alles aus einem Augenausdruck ablesen kann… St. Petersburg empfängt uns mit relativ coolem Verkehr und wir finden ohne Probleme den Weg durch endlose Außenbezirke mit riesigen Wohnblöcken und der üblichen Großstadtanonymität. Mit über 5 Millionen Einwohnern ist das ehemalige Leningrad Russlands drittgrößte Stadt. Unsere Bleibe liegt direkt im Stadtzentrum im Bezirk „Tsentralny“ am „Nevsky Prospekt“, der pulsierenden kommerziellen Hauptschlagader der Stadt. Das „Nevsky Contour Hotel“ liegt in einem Hinterhof etwas abseits des Boulevards und ist ein Volltreffer. Gemeinsam mit dem Anabel-Hotel teilt sich das „Contour“ den dritten Stock eines alten Wohnhauses und hat unser Herz erobert, kaum dass der Summer die schwere Eisentür freigegeben hat. Stilvoll eingerichtet, mit modernen Anklängen an die in St. Petersburg überall noch sichtbare Jugendstilepoche, mit geradezu gemütlichen Zimmern und ausgesprochen zuvorkommendem Personal (www.nevskycontour.com). Und was am Wichtigsten ist: Unsere CRFs haben einen bewachten Parkplatz. Der Parkwächter zeigt stolz auf seinen Bildschirm mit vier Kamerasektionen. Alles bestens und nun — gutgehen lassen! Das Dinner bei „Mama na Dache“ ist ein besonders schöner Abschluss dieses Tages.
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Roland Kater (Donnerstag, 23 August 2018 14:39)
Schön von euch zu hören, nachdem ein paar Tage Funkstille war!
Dachte schon, ihr schmort in einem dunklen russischen...
...hatte schon die Nummer vom AA bereitliegen...
Weiterhin gute Fahrt!