Wir kommen zeitig los, wollen unbedingt noch nach Masuleh. Wer weiß, wann wir wieder mal in der Gegend sind. Spannender Passaufstieg zwischen Baba, Kuhin Aqa und Ab Torsh. Immer wieder hauen uns die gewaltigen landschaftlichen Dimensionen fast aus dem Sattel. Hinab geht es in weiten Schwüngen durch Canyonland, dann reißen die Berge auf und die Straße mündet in ein fruchtbares Schwemmland. Tief geht der Blick hinab auf ein nahezu ausgetrocknetes Flussbett. Feuchte, schwül-warme Luft kriecht unter die Endurojacken, macht diese zur Sauna. Wir haben Springbrunnen auf der Haut…
Kilometer später haben wir von über 2000 Höhenmetern den größten Teil abgegeben. Das Sefid Rud-Reservoir (Stausee) liegt mal gerade noch auf 300 Metern. Ein unheimlich starker Seitenwind beutelt die Motorräder, heftigste Böen werfen uns hin und her, verlangen volle Konzentration. Es sind Fallwinde vom Gebirge her, denn auf der anderen Seite der Berge liegt das Kaspische Meer mit extrem hoher Luftfeuchtigkeit. Ein Dorado für Windkrafträder - und tatsächlich sehen wir die ersten Exemplare dieser Art im Iran auf den Bergen um Manjil. In dem Ort ist iranisches Militär stationiert, Posten kontrollieren den Verkehr und ziehen vereinzelt Fahrzeuge heraus. Wir starten den Versuch einer Rast am See - vergeblich. Bei diesem Wind und einem nicht abreißen wollenden Verkehrsstrom kann keine Erholung eintreten. Auch die meisten iranischen Familien, die zum Picknick an den Stausee gekommen sind, geben frustriert auf und retten sich in die wenigen Pavillons am Seeufer. Uns bläst der Föhn auf die Straße zurück...
Erneuter Anstieg ins Gebirge; eine breite Bergtrasse mit donnernden LKW und dicken Qualmwolken. Umweltgedanken im Iran? Glatte Fehlanzeige. Was wir auf dieser Reise an Ruß schlucken, reicht für den Rest des Lebens. Rudbar ist erreicht; eine lebendiger Ort mit Markt und Hunderten von Händlern am Straßenrand. Schließlich Rast in Rostamabad: Ein Händler winkt uns auf die andere Straßenseite, bietet Oliven mit Paste, gelierte Früchte, leckeren Cay. Er hat einen pittoresken Laden, lädt uns ein, Fotos zu machen. Der Mann mag Deutschland, begreifen wir, ist stolz darauf, auch (?) ein Arier zu sein… Bei manchen Lobeshymnen iranischer Menschen auf unser Heimatland muss man schlucken, und wir haben immer wieder große Mühe, unseren Gesprächspartnern zu erklären, dass es Abschnitte in unserer deutschen Geschichte gibt, auf die wir alles andere als stolz sind.
Wir steigen hinab in das breite, sehr fruchtbare Flusstal des Safid Rud. Die Berge treten zurück und der Fluss verzweigt sich mit Nebenläufen, bildet eine Art Delta. Obst- und Gemüseanbau, bewirtschaftete Felder, Tomaten, Gurken, Zucchini, Melonen. Unendlich viele Straßenhändler laden ein, winken, wir rollen weiter. Es wird verstärkt feucht-warm und unser Kreislauf hat zu kämpfen.
Abzweig nach Shaft und Fuman. Fuman wirkt attraktiv mit pittoreskem Ortsbild. Der Wochenmarkt wird gerade vorbereitet: Hunderte von Ständen, blockierte Straßen. Irre was los! Wir finden schließlich den Weg hinaus nach Masuleh. Die holprige Landstraße fordert Fahrwerk und Stoßdämpfer. Der Himmel geht völlig zu und Regenwolken ziehen auf. Es beginnt zu nieseln, dann setzt stärkerer Regen ein. Unterwegs kleine verlotterte Gehöfte, teilweise Camping in Teegestühlen mit Plastikvorhängen. Wenig einladend das Ganze. Die Häuser am Straßenrand sind in einem miserablen Bauzustand, Fenster und Türen hängen in den Angeln, Müll türmt sich vor der Haustür, auf dem Hof, am Straßenrand. Hier wohnt die bittere Armut.
Bei Ankunft in Masuleh fängt es an zu gießen. Am Ortseingang eine Toll-Sperre; man lässt uns so passieren, will keine Maut.
Hotel Masuleh (GPS: N 37°09.234'// E048° 59.456') liegt direkt am Ortseingang; Pilgeratmosphäre im Ort. Masuleh ist auch für Iraner offensichtlich ein „MUST“. Viele Tagesausflügler kommen aus Rasht oder von weiters her mit dem eigenen Auto oder per Dolmus. Die Menschen bringen Schlafsäcke und Decken mit, pennen dann irgendwo: im Auto, in Privatquartieren im Dorf, neben der Straße, auf den Dächern Masulehs. Wir erkunden am Abend das Dorf: ein irrer Anblick, auf den Dächern der Häuser zu stehen. Viele improvisierte Lokale und Shops, von Nippes über Lokales bis Kulinarisches. Jeder Einwohner Masulehs versucht, irgendwie vom Besucherstrom zu profitieren. Ein alter Mann verkauft ein paar Mockel Käse, eine junge Frau backt leckere Kekse. Wir kaufen wie immer ein, ein bisschen von allem. Besuch der Moschee, wir dürfen rein, niemand stört sich daran, dass auch wir den Schrein des Heiligen umrunden. Die Minarette haben "Stil", schaut selbst...
Verrückte Nebelaufnahmen und Perspektiven im Dorf. Aber auch hier schockt der Zustand der Häuser - selbst im Halbdunkel des Abends. Bei Einbruch der Dunkelheit finden wir ein originelles "Lokal". Der Wirt steht vor der Tür, dreht Fleischspieße, winkt uns von den Dächern. Wir genießen iranisch Köfte mit Reis. Sehr gut! Am Nebentisch nette junge Leute aus Rasht. Wir tauschen Adressen, lachen viel, machen Witze übers Hotel und unseren glitschigen Abstieg vom Ober- ins Unterdorf.
Unser Hotel Masuleh "droht" gegen Mitternacht: versiffte Teppiche, schimmelige Zimmer- und Baddecken, nach Schweiß riechende "Bettwäsche", kaputte Armaturen, Türen und "Möbel". Die Nacht auf knallharten Pritschen ist sehr „erholsam“. Bin ständig wach. Gott sei Dank haben wir noch unsere eigenen Schlafsäcke hochgeholt. Das Hotel ist restlos im Verfallsstadium. In der Nacht schüttet es…
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