Hos geldiniz, Türk’ye – welcome problems!

Sharaf Khaneh – Bazargan (Grenze Iran/Türkei) – Dogubeyazit: 350 km

Die Nacht im Zelt war kühl und erholsam. Wir bummeln und tanken beim Frühstück noch ein wenig Kraft für das letzte Kapitel im Reiseland Iran. Der Tripmaster zeigt inzwischen über 5000 Reisekilometer mit den Enduros und ein Ruhetag wäre mehr als überfällig. Spätestens jetzt rächen sich die verlorenen drei Tage durch unser Zolltheater in Türkgözü vor der Einreise nach Georgien.
Beeindruckende Kontraste auf den ersten 60 Kilometern bis nach Salmas. Linkerhand die blendend weiße Salzfläche des Orumiyeh-Sees, zur Rechten die goldbraunen, im grellen Sonnenlicht zunehmend farbloser werdenen Busen zweier Bergzüge. Es sind Bilder, die man mit der Kamera kaum einfangen kann; sie gehören allein dem Auge, der Erinnerung an einen schönen Morgen in einem verlorenen Paradies.

Hinauf nach Khoy wird das Landschaftsbild extremer: kahle, verkarstete Bergkuppen und Talsenken, wie abrasiert und mit einem riesigen Schmirgelpapier, ein gewaltiger Passanstieg, an dem die LKW kleben und grau-schwarze Dieselwolken in einen flimmernden Mittagshimmel blasen. Ein heißer Wind trocknet uns aus, Kopfschmerzen pochen unter dem Helm und – wie immer – viel zu spät klappen wir in Khoy den Seitenständer raus. Drei bis vier Liter Wasser am Tag sollten es unter diesen klimatischen Verhältnissen mindestens sein – wir schaffen bestenfalls zwei. Wir kaufen in einem kleinen Laden am Straßenrand ein, bekommen neben der Ladentheke einen Hocker angeboten und dürfen unser Fläschchen Istak – wie schon mehrfach erlebt – nur drinnen trinken. Michaela verzichtet inzwischen bei Stopps auf ihr Kopftuch und hat bisher nicht einmal einen ermahnenden oder bösen Kommentar geerntet. Keine Sittenwächter mit Turban, keine Religionsfanatiker, die im Namen Allahs gegen die Gottlosen vorgehen – all dies findet im normalen iranischen Alltag so nicht statt.

Hinter Ev Oghli ändert sich erneut schlagartig die Szenerie. Die Landstraße steigt in fruchtbare Talebene hinab, in der die Bauern riesige Melonen- und Sonnenblumenfelder angelegt haben. Die Erntearbeiten haben begonnen: Mit speziellen Maschinen werden die Köpfe der Sonnenblumen zu einem Spreu geschreddert, auf riesige Haufen geschichtet, die später in die Ölmühlen abtransportiert werden. Wir erreichen Shot und sehen am Horizont bereits die dunkel-düstere Silhouette der Berge von Maku. Da braut sich etwas zusammen, denn uns blasen starke Fallwinde entgegen und heftige Böen werfen die Enduros zu Seite. Ein paar Minuten später öffnet der Himmel seine Schleusen und bevor wir unser Regenzeug hervorgekramt haben, sind wir bereits pudelnass. Eine halbe Stunde später ist der Spuk vorüber und der Himmel wieder wie geputzt.

Diesmal wollen wir vorbildlich pünktlich an der Grenze sein. Über den Grenzübergang bei Barzargan fließt ein Großteil des türkisch-iranischen Handelsverkehrs und so warten bei unserer Ankunft bereits Hunderte schwerer Trucks auf ihre Abfertigung. Wir ziehen an der endlosen Schlange vorbei und sind wenige Minuten später bereits beim Papierkram. Wie schon bei der Einreise erledigt ein "Schleuser" die notwenigen Botengänge und wir sparen viel Zeit. Diesmal will der Mann einen Lohn für seinen Service; er soll ihn bekommen, denn geschonte Nerven sind sehr viel mehr wert als ein paar Rial oder Lira. Hinter dem letzten Gatter warten unsere Freunde vom türkischen Zoll und – der werte Leser ahnt es bereits – wir werden nicht mit dem gebührenden "Hos geldiniz" (Willkommen) empfangen, sondern mit dem bereits bekannten "Problem motorbik!" Ja, hau mi nauf! Jetzt haben die Kerle in Sarpe doch tatsächlich vergessen, in den Computer auch die Ausreise der Fracht-Motorräder einzugeben, und so wollen wir also mit zwei Bikes in die Türkei einreisen, die offiziell noch gar nicht ausgereist sind.

Wir ersparen Euch und Ihnen die Schilderung der Tragödie 2. Teil. Wiederholungen langweilen und nerven bekanntlich, und geade so ergeht es uns die nächsten 5 (in Worten: fünf) Stunden, die wir im Niemandsland zwischen dem Iran und der Türkei ausharren müssen. Endlose Telefonate und Faxe mit Sarpe, ein ständiges Auf-die-Schlappen-treten, damit die Kerle bei der Sache bleiben, am Ende massive Drohungen meinerseits, die Dummheit und Unbeweglichkeit der türkischen Grenzbehörden öffentlich zu machen, was ich hiermit getan habe. Grenzpolitisch betrachtet ist die Türkei noch ein echtes 3.Welt-Land. Zwar versucht man säbelrasselnd zwischen zig Kontrollstellen und Militärposten Stärke zu demonstrieren, aber weder vom Personal her noch von der maroden computertechnischen Infrastruktur her ist man in der Lage, Ruhe, Ordnung und Effizienz an den Grenzen zu garantieren. Europa ist noch weit, liebe Türken, macht erstmal eure Hausaufgaben!

Gegen Mitternacht finden wir von Dogubeyazit her kommend über eine löchrige Kopfsteinpflasterstraße den Weg hinauf zum Palast Ishak Pasa Sarayi und freuen uns bereits am Camping Parasüt und die kleine Terrasse vor seinem Restaurant, wo wir vor einem Jahr unser Zelt aufgestellt haben. Die Scheinwerfer der Enduros tasten über ein dunkles, lebloses Gebäude. Durch die Glasscheiben erkennen wir aufgestuhlte Stühle und zusammengeschobene Tische. Nach einer Weile schlurft ein Wärter herbei und wir erfahren, dass Parasüt nach wohl gut 30 Jahren aufgegeben habe und nach Istanbul gegangen sei.

Aus der Traum! Passend dazu hat man die Illuminierung des Ishak Pasa-Palastes abgeschaltet und so trollen wir uns wie zwei begossene Pudel. Ein Paar Serpentinen unterhalb des Palastes gibt es – Allah sei gepriesen – noch den Bergführer Murat, der eine zumindest optisch ansprechende Camping-Anlage mit Restaurant betreibt und professionelle Klettertouren am Ararat anbietet. Murat ist noch auf, hat Efes im Kühlschrank und mit unserem Zelt logieren wir landestypisch in einem "Çardak" (Teehäuschen mit Sofakissen auf einem Holzgestell). Worüber beklagen wir uns eigentlich?

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